Hinter dem Titel ORTSWECHSEL steht ein musikalisch-filmischer Laborversuch. Er geht auf Diskussionen zurück, die vor mehreren Jahren zwischen Film-Komponisten und dem Filmemacher begonnen haben und Grundfragen der Wahrnehmung der beiden „Zeitkünste“ untersuchten: Musik und Film wenden sich gemäß ihrer Natur an ganz verschiedene Ortswahrnehmungen ihres Publikums.
Das Erlebnis des „Hier-und-Jetzt“ steht im Kontrast zum Eintauchen ins „Draußen“, den filmischen Ort der räumlichen und zeitlichen Ferne. Die Wahrnehmung von Bildern und Filmhandlungen wird durch gleichzeitig erklingende Musik verändert, aber wie? und wie wirkt der Film auf die Musikwahrnehmung? Welche Rolle spielt dabei der Ort der Aufführung?
Mit ORTSWECHSEL bewegt sich der Filmemacher in einem Zwischenbereich von Video- und Filmkunst, wo „Jetzt“ und „Draußen“ ineinander übergehen. Dies betrifft die narrative Ebene gleichermaßen wie die technologische. ORTSWECHSEL ist ein Spiel mit Täuschungen. Eine weibliche Figur verliert sich in den Möglichkeitsfantasien ihres Gefährten, dort nimmt sie eine Vielzahl von Identitäten an, die, wie in einer Metarmorphose von Zwangsvorstellungen, den Blick des Suchenden solange verwirrt, bis er die falsche Person mit der richtigen verwechselt, am Ende ist er blind gegenüber der Wirklichkeit und damit auch gegenüber sich selbst. Das Bild wird zum Opfer der Imagination. Dieses Vexierspiel mit Identitäten bildet den Ausgangspunkt für die kompositorische Seite des Projekts. Die Positionen, die die Musik gegenüber dem Film einnimmt, vollzieht damit auch auf ihre Weise eine Reihe von Ortswechseln, die ebenso zur Definition der Form als auch vor allem dem Wechsel von Distanz und Unterordnung gegenüber dem Film dient. Als Konzentrat , wie beim Freilegen eines Kerns, erscheint am Schluss eine konzertante Episode, die das Gedicht „Trugbild“ der irischen Autorin Menna Baines beinhaltet. Die vorher elektronisch antizipierte menschliche Stimme tritt in den Vordergrund , um mit kompositorisch adaptierten Umweltklängen des Soundtracks zu verschmelzen und damit selbst in das „Trugbild“ ihrer eigenen Vorgeschichte einzutauchen.