VARIAVISION 2016
Geschichten in Bewegung
Thema eines Raumfilmprojektes: Die Phantasien in die Ferne und das Verharren vor Ort.
Die kommunizierenden Leinwände.
Das Nebeneinander von Darstellung und Imagination.
Die Bildgestaltung als Wiedergabemittel der fiktionalen Realität, die Montage, die das räumlich‑, zeitlich‑, inhaltlichen Zusammenwirken der Erzählinhalte möglich macht und die Form der Rezeption beim Zuschauer sind die Gestaltungsgrundlagen für die klassische Filmerzählung.
Das oben beschriebene Thema soll aber um seiner umfassenden Bedeutung gerecht zu werden eine zusätzliche Gestaltungs- und Präsentationsform erhalten. Einer eigenen Betrachtung widmet sich daher das Spiel mit der assoziativen Montage einer parallel aufzunehmenden Informationen als Werkzeug der bildnerischen Erzählung. Parallel erzähltes kann in Zusammenhänge gebracht werden, die allein durch gleichzeitige Rezeption verändert wahrgenommen werden. Selbstverständlich wirksam und ohne störende Absichtlichkeit werden assoziativ gestaltete Einzelereignisse erfasst. Ein Gegenpol verstärkt die Einzelpräsenz. Die wechselwirkende Zusammenstellung des Nebeneinanders soll gestaltendes Mittel sein und Synchronität und Parallelität können die Bedeutungen transportieren und sogar beim Wahrnemenden zum Erzählstrang werden. Eine Filmsprache wird so denkbar, die den realen, inhaltlichen Bezug des Dargestellten zum Erzählten um die Komponente des assoziativen Nebeneinanders und der räumlichen Umfeldes erweitert. Eine ganze Reihe von dramaturgischen Überlegungen schließt sich an:
- Die Bedeutung des Bildrandes als Gestaltungsmittel.
- Die Auswirkung der monokulistischen Darstellungsnorm der zeitgenössischen bildnerischen Medien d.h. Zentralperspektive als Realitätsbeleg.
- Wie sortiert der Wahrnehmende die Flut der Bildeindrücke in der Welt der Multiscreen-Bombardements zu erinnerbaren, gefühlten Ich-Erlebnissen?
- Das Realitätwerden des Bebilderten durch gemeinschaftliche Rezeption.
- Die Photographie, später Videographie als Bestandteil des Erinnerns und Erinnertwerdens.
- Wer denkt in Worten, wer in vergleichenden Assoziationen?
- Einerseits wirkt die Konstruktion eines einzelnen Bildes;
- was ist das Geheimniss und Ausdruckskraft des Bildes? Andererseits wird der Ablauf zur Hauptaussage eines Filmes;
- nach erfolgter Rezeption wird die “Story” als erinnerbares Ereignis und emotionierende Ersatzrealität bewertet.
Eine Art künstliche Wirklichkeit entsteht, welche selbst in der Gruppenerfahrung nacherlebbar wird. Das assoziative Zusammenwirken des gleichzeitig Wahrgenommenen führt noch einen Schritt weiter. Das ist eine bildsinfonische Erzählform, wie sie durch Paralleldarstellung, Duplikation und Bildmontage möglich wird. Das Rezeptionstraining ganz alltäglicher Paralleleindrücke erlaubt uns, solchen Eindrücken folgen zu können. Eine auf ein Thema konzentrierte Form in einem zusammengehörigen “Raumfilm” ist deshalb eine konsolidierende Rezeptionsmöglichkeit.
Alle diese Überlegungen gehen aber nicht von der Annahme aus, dass das Darstellungereigniss durch eine Art “Mix” der Darstellungsmittel entsteht und erst durch die Rezeption wirksam wird, sondern die Zusammenstellung selbst ist untrennbar mit Inhaltsübermittlung verbunden. Im Vergleich zur Musik wird bebildernden Ausdrucksformen bisher keine innewohnende Bedeutungsänderung ohne Rezeption zugestanden. Das Zusammentreffen von Tönen dagegen kann zum Klang werden, Stimmfrequenzen zu Gesang, Variation der Themen zum konzertalen Gesamtereignis anschwellen. Durch Zusammenklang wird Neues geschaffen, selbst physikalisch gesehen beeinflussen sich die Schallereignisse gegenseitig so stark, dass sie nicht mehr nur als die Summe ihrer Einzelteile gesehen werden können. Sie können sich beispielsweise gegenseitig komplett auslöschen. Dieser Vergleich verlockt zu einer bildnerischen Analogie, ein Eigenleben des parallel Dargestellten, Verbindungen untereinander ohne Rezeption. Manche bildnerische Gestalter hofften schon lange auf “Selbstgeburten” ihrer Werke, ein weiterführendes lebendigwerden, je länger die Beschäftigung damit andauert. Ein Perpetuummobile des in Verbildung gebrachten, wie eine Form die das Innewohnen des lebendigwerdens sichtbar macht. Der Zuschauer als Zeuge des Geschichtenentstehens. Die persönliche Anwesenheit wird darüberhinaus Bestandteil des Zusammenwirkens und Neuentstehens. Die Bewegung des Wahrnehmenden von Erzählort zu Erzählort ist ein weiterer Aspekt der Rezeption. Es können sich unterschiedliche Geschichten erzählen je nach
Aufenthalt im Raum, man kann nicht alles gleichzeitig erfassen, man muss sich entscheiden und bewegen. Die individuelle Geschichte. Das Raumkonzept für “HORIZONTE” Variavision 2016 gründet auf obigen Vorstellungen. Mehrere bespielbare Bildflächen nebeneinander und hintereinander in verschiedenen Abständen sind nötig, damit die Einzelhandlungen auf alle Weisen miteinander in Beziehung treten können.
Die Bewegung des Betrachters von Leinwand zu Leinwand soll zentraler Bestandteil der Erzähldramaturgie der Raumfilminstallation sein. Hier und Da darf nicht gleichwertig sein, man muss auch etwas verpassen können.
Es ist aber eine klare Abgrenzung von der ebenso strukturierten Wirklichkeit, der überpräsenten, flickernden Multieindruckswelt erforderlich, die sich die Neugier des zufällig Anwesenden zu Nutze macht und deren Allgegenwart Gewöhnung folgt. Der Aufmerksame darf nicht der Willkür überlassen oder gelangweilt werden. Die absichtliche Anwesenheit des Zuschauers in einem streng gestalteten Raum ließe keinen Platz für die Verwechslung mit Zufälligkeit. Geometrisch abstrahierende Formgebung mit klassisch viereckigen Leinwänden, angebracht in geraden Reihen nebeneinander und hintereinander mit der Möglichkeit einzelne, auf sich selbst bezogene Handlungsabläufe zu erzählen, aber auch untereinander Bezug auf sich nehmen zu können und sich sogarzum Gesamtschauplatz zu vereinigen, könnte so ein Erfahrungsplatz sein. Der Boden des Raumes selbst ist plastisch modelliert, in der Mitte erhebt sich ein Hügel, so dass Nah- und Fernperspektiven mit künstlichem Horizont möglich werden. Der Zuschauer kann durch seine Bewegung im Raum und die dadurch gegebene Position (zu bestimmter Zeit an bestimmtem Ort) die Individualität der Perspektive bewirken. Wie bei einer Skulptur oder in der Architektur ändert sich dann die Bedeutung im Zusammenspiel mit den Anwesenden. Die Erzählung erwächst aus der Reihenfolge: Kommunikation, Assoziation, Rezeption.
I
Historische Versuche der paralleloptischen Filmgestaltung
Entdeckung und Neuinterpretation
Die historische Multiscreen-Installation VARIAVISION 1965 hatte die Mobilität des Menschen zum Thema. Ein aufstrebender, befreiender Reisewunsch sich überall hinbewegen zu können. Auf 16 schwebenden Leinwäden wurden Themengruppen zu damals üblichen Transportmitteln und deren variantenreicher Bedeutung in einem ausgefeilten Zeitschleifenspiel gezeigt. Auch bezogen sich die gezeigten Filme im rhythmischen Turnus auf ihre Nachbarbilder und bildeten Synchronstellen mit allen Leinwänden. Die Sichtung und Remontage der erhaltenen Fragmente machte deutlich, dass den veränderten Verhältnissen nur eine Neugestaltung Rechnung trägt, die sowohl im Raumkonzept an VARIAVISION erinnert, als auch die Originalsequenzen zitiert, aber das Thema “Der Mensch in Bewegung” filmisch neu interpretiert. So wird Neugestaltung zur Retrospektive. Hier können die oben beschriebenen “Kommunizierenden Leinwände” zum Einsatz kommen.
Mobilität ist bei erster Betrachtung heute sicher so aktuell wie 1965, hat aber radikale Veränderung sowohl in seiner Ausprägung als auch in seinen Wirkungen erfahren. Dieser Wandel fordert seine eigene Darstellung und seine Interpretation um folgenden massiv veränderten Gegebenheiten, die diesen Themenkomplex begleiten, gerecht zu werden. Der entscheidenste Entwicklungsprozess scheint neben der entwertenden, allgegenwärtigen Verfügbarkeit der Transportmittel, die Virtualisierung des Mobilitäts-Zieles und der Bewegung selbst zu sein.
Den Paradigmenwechsel zeigt eine Auflistung von Mobilitätsmotiven mit aufsteigender Virtualisierung:
- Vom Ortswechsel wegen Ressourcenknappheit,
- Flucht wegen Bedrohung
- Erweiterung des Handlungsraumes,
- Neugier und Sammlung von Erfahrung in der Ferne,
- machthungrige Erweiterung des Einflussbereiches (hier können schon Andere als man selbst die Reise antreten),
- Bildungsreisen und Abenteuerreisen (besuchte Orte werden gesammelt wie Trophäen),
- Erholungsreisen (hier übernimmt die Reiseplanung und spätere Erinnerung oft schon die Hauptfunktion),
- Reisen zum Zwecke der Bewegung von technisch innovativen Transportmaschinen, die den Körper des Lenkers stimulierenden sollen. (Die Erfahrbarkeit von Beschleunigung und Tempo ersetzt dabei den Plan ans Ziel zu kommen),
- Wunsch- und Traumreisen mittels Bericht oder Medienkonsum, abtauchen in Ferne Welten in fiktionaler Darstellung (hier muß man sich schon nicht mehr selbst bewegen),
- Leben in virtuellen Welten von Computerspielen, (Entstehung von Paralleluniversen)
- Zutritt und Aufenthalt in Chatrooms (hier agiert man wieder selber, aber der Ort existiert nicht mehr),
- Surfen im weltweiten Netz (ersetzt die eigene Präsenz vorort),
- Zahl der Besuche auf Homepages werden zum Kennzeichen globaler Bekanntheit.
- Selbstverwirklichung im Cyberspace (Gefühle und Erotik im spürbaren Freiraum)
Die reale Ortsveränderung weicht der imaginierten, virtuellen multilokalen Realität. Gleichzeitig entsteht das wachsende Bedürfniss der Agierenden, Gruppen gleichgesinnter, gleichplanender zu bilden, welche selbst dann die Funktion eines neuen Ortes übernehmen können. Die Faszination an solcher Gruppenmobilität ist aber nicht kleiner, im Gegenteil, sie ist Motor der sich beschleunigenden Entwicklung geworden. Die Interpretation der Gruppenaktivität als Raumbildendes Element kennt keine Zweifel. Der Stau ist ein Ort. Individueller Entdeckerwille und Forschergeist stehen nicht im Vordergrund der Reiseinteressen. Der motivierende Trieb einen Ort zu verlassen mündet in den raumfreien Konsumplatz. Das Ankommen ist kein zwingendes Ziel mehr. Die Navigation in den Netzwerken und die Selbstdarstellung in Gruppen vermittelt Geborgenheit und Schutz. Der Zugriff auf weltweite Informationsarchive befriedigt den Neugierigen ohne aus dem Haus gehen zu müssen.
Die bildnerische Darstellung dieses Themenkreises erfordert den multilokalen, paralleloptischen Projektionstreffpunkt, der Bewegung zum Inhalt macht. Die dargestellte neu entwickelte Raumfilminstallation interpretiert Betrachtungen eben dieses Wandels.
II
Eine Raumfilminstallation zum Thema “Menschen In Bewegung”.
Dramaturgisches Konzept
Der erste Eindruck des Publikums:
Nachdem man sich entschlossen hat VARIAVISION 2016 zu besuchen, durchquert man einen breiten Vorraum in dem dokumentarisches Anschauungsmaterial zur Entstehung von VARIAVISION zu sehen ist, insbesondere auch Materialien aus der historischen Version von 1965. Von hier aus gelangt man zu zwei Eingängen, Licht- und Schallschleusen, welche die eigentliche Halle mit der Raumfilminstallation vom Vorraum abtrennen. Die beiden Eingänge sind gleichwertig und dienen auch als Ausgänge. Hat man diese durchquert, sieht man im inneren und an den Stirnseiten der großen, dunklen, schwarzen Halle teils über den Köpfen schwebende, teils bodenhohe Leinwände, auf denen die Film-Sequenzen zu sehen sind. In der Mitte der Halle erhebt sich ein breiter Hügel, der den Blick auf die Ausmaße der Halle einschränkt. besteigt man diesen Hügel entdeckt man, nach und nach, weitere Reihen mit insgesamt 24 Projektionsflächen. Von jeder Position und Höhe ergeben sich neue Perspektiven. Am höchsten Punkt des Hügels sieht man die schwebenden Leinwände auf Augenhöhe, Die an den Stirnseiten tiefer angebrachten Flächen bleiben im Hintergrund sichtbar und locken zum Abstieg. Der Boden ist weich und griffig, an einigen Stellen sind grüne Flächen eingelassen, über denen tonaussendende Objekte angebracht sind. Die von dort ausgehenden Laute sind offensichtlich den Szenen zugeordnet, die von eben diesem Ort aus einsehbar sind. Diese Orte laden zeitweise ein stehenzubleiben oder sich niederzulassen. Beim weiteren Erkunden des Raumes hört man, in der ganzen Halle verteilt, Musik, welche manchmal die Szenen interpretiert, oder auch für sich alleine klingt. Es gibt keinen Hall und man sieht keine Reflektionen oder störende Spiegelungen. Das einzige Licht geht von den Leinwänden aus. Schnell erkennt man, dass die Inhalte auf den Leinwänden miteinander in Verbindung stehen, kommunizieren und sich, wenn man innerhalb des Raumes von Darstellung zu Darstellung geht, Szenen und Geschichten erzählen. Dargestellt sind lebende Portraits und deren Fiktionen in sich mischender Folge. Der Eindruck schnell bewegter Handlungsabläufe wechselt zu den, in sich ruhenden Gesichtern. Oft schließen sich Einzelszenarien zu den ganzen Raum erfüllenden Bildern zusammen. Mehrfach besteigt man den Hügel um den sich bildenden Assoziationen zu folgen und sich umzusehen wenn sich die Darstellungsflächen zu großen, einheilichen Szenarien zusammenfügen. Die Filminhalte zeigen ein verschlüsseltes Geschehnis. Spielt die Raumfilminstallation mit sich selbst?
III
Handlungskreis und Dramaturgie der Filminstallation
Entwurf der Szenenfolge auf den 24 Leinwänden
Was ist auf den Leinwänden zu sehen?
III 1
Hauptszenario:
Erwartung
Alle Leinwände zeigen den selben realen Ort mit den dort anwesenden Personen.
Ein großer gleichzeitig erfassbarer Raum. Die Wartehalle.
Bedeutung des Raumes.
In einer virtuellen Wartehalle befinden sich ca. zwei Dutzend Personen, die teilweise einzeln, zu zweit oder in kleinen Gruppen warten. Manche unterhalten sich leise, andere blicken im Raum umher um sich die anderen näher anzusehen, manche ruhen still in sich. Im Hintergrund der Bilder sieht man aufblinkende Nummerntafeln. Die Aufmerksamkeit gilt immer wieder diesen, in der Wartehalle angebrachten Tafeln, auf denen aufsteigend, leuchtendrote Zahlenfolgen zu sehen sind. Mit gespannter Erwartung verkleinert sich der Abstand zwischen den Nummern in den Händen unserer Protagonisten und denen auf der Tafel. Es lässt sich nicht einfach sagen welcher Art dieser Warteraum ist:
Eine Lotterieausgabe?, Ein Amt?, Ein Ort sich zu bewerben? Ein Eingangsbereich zu einem Transportmittel?, Die Warenausgabe eines Einkaufzentrums?, Der Wartebereich eines medizinischen Diagnosezentrums? Die Hinterbühne einer Castingshow? Der VIP-Bereich eines Flughafens? Die Meldestelle?
Die Personen lassen sich, allein über das Aussehen, keiner festgelegten Gruppe zuordnen. Eher fasziniert ihre Verschiedenartigkeit. Nur die konzentrierte Stimmung ist allen gemeinsam. Die Zeit scheint endlos langsam zu vergehen ja stehenzubleiben, die wie eingefroren verharrenden Protagonisten vesinken in ihren Gedanken. Die Großaufnahmen sind sehr persönlich und charakterisieren die Stimmung.
III 2
Wandlung;
Die Grenzen zwischen den Bildflächen beginnen zu verschwimmen.
Die Filmerzählung beginnt fortschreitend die Phantasien der Protagonisten zu bebildern. Die Dargestellten scheinen völlig andere Orte als die Wartehalle vor Augen zu haben. Immer weiter entfernen sich die gezeigten Spielorte vom gemeinsam Erlebten. Die Phantasiewelten der einzelnen Personen unterscheiden sich in der filmischen Darstellungsart stark von der Realsituation im gemeinsamen Raum. Sie sind bewegt, manchmal ausgelassen, irreal phantastisch. Vielfach erinnern die Bewegungen der Darsteller mehr an Tanz, Flug- oder Schwimmbewegungen als an das starre Verharren des Wartens. Man vermutet, dass die Protagonisten über ihre Absichten nachdenken. “Was hat mich hierher getrieben?” oder “wie werde ich ich mich verändern?” “wie sieht die Umgebung an meinem Ziel aus?” “Wer wird bei mir sein?” Die Ruhenden beobachten die Phantasierenden und beginnen ebenfalls in ihre Traumwelten einzutauchen. Ein Wechselspiel von beobachten und darstellen beginnt. Manchmal gibt es peinliche Irritationen, weil das Dargestellte zu privat ist.
So beginnt man die individuellen Motive der Protagonisten kennenzulernen.
Auf den Leinwänden sieht man wechselnde, imaginierte Orte mit den zugehörigen Protagonisten, die anderen Leinwände zeigen inzwischen die Wartenden in Großaufnahme wie sie die Imaginationen der Anderen zu beobachten scheinen.
Manchmal erscheint eine neue Nummer auf den Anzeigetafeln dann bricht die Phantasiewelt kurz ab. Der Warteraum ist zu sehen mit den neidischen Blicken aller auf den, dessen Nummer gerade erscheint. Es verschwinden die ersten aufgerufenen Nummernträger.
Es entsteht ein Gefühl der Zusammengehörigkeit unter den Zurückbleibenden. Die Protagonisten beginnen mit Blicken zu kommunizieren. Wenn jetzt Wartende in ihre Imaginationen eintauchen nehmen sie andere mit sich. Die Personen können an den phantasierten Orten der anderen erscheinen und dort auch agieren. Es beginnen sich Gruppen zu bilden. Schemenhafte Unternehmungen werden ausgeführt. Die Grenzen zwischen den Räumen verfließen. Beiläufig unterbrochen von aufscheinenden Zahlenanzeigen auf den Nummerntafeln – einzelne verschwinden jetzt wieder aus dem Warteraum – beginnt eine zunehmend gemeinsame Bilderphase.
Alle Leinwände schließen sich zu einem Szenario zusammen. Ein Phantasieort. Man erinnert sich an diesen Ort. War er zuvor einem der Protagonisten zugeordnet? Die Bewegungen der Protagonisten wandern von Leinwand zu Leinwand durch die Halle. Man sollte mitfahren.
Hier treffen nun verschiedenste Charaktere aufeinander. Wie reagieren diese aufeinander? Was können sie gemeinsam treiben? Haben vielleicht doch alle ein gemeinsames Ziel? Die Hintergründe wechseln, es scheint den Versuch zu geben einen Kontext zu finden. Es beginnt eine Reise in ferne Welten. Die Phantasierenden scheinen mit immer ausgefalleneren imaginierten Orten zu konkurieren. Die verschiedensten Transportmittel werden ausprobiert. Der Tanz durch die Welt. Im Hintergrund der Orte sieht man manchmal Nummern aufleuchten oder sie sind in den Bildern versteckt, zum Beispiel als Liniennummer einen Busses, als Hausnummer oder als Aufdruck auf dem T‑Shirt eines Passanten. Als Folge verschwinden einzelne Protagonisten mysteriös. In der Vorstellung der Dagebliebenen bilden sich Vermutungen. Sollten die Aufgerufenen jäh, geheimnisvoll oder gewaltsam verschwinden? Solche Szenen des Verschwindens werden dargestellt. Das scheint dem Willen der Vermutenden zu entsprechen. Betrug Verbrechen Unmoral.
Im Raum entstehen kleinere Inseln in deren Nähe zusammenhängende Szenarien erkennbar sind. Diese wechseln. Man kann nicht alles gleichzeitig wahrnehmen, man muss sich entscheiden.
III3
Raserei
Die Anwesenden Darsteller werden folglich immer weniger. Die letzten Übrigen zeigen Rastlosigkeit anstatt Sorge. Wer wird alleine sein? Als der letzte Protagonist wiederspenstig verschwindet sind schon auf einzelnen Leinwänden Personen von hinten zu sehen. Sind das die Fortgegangenen? Die Halle füllt sich langsam mit solchen, sich nähernden Aufnahmen von hinten. Auf allen Leinwänden sind endlich nur noch solche Bilder zu sehen.
Es stabilisiert sich ein gemeinsamer Hintergrund für alle. Es beginnt auf allen Leinwänden eine Bewegung in Blickrichtung der Abgebildeten die sich zur rasenden Fahrt steigert. Alles bewegt sich in eine Richtung. Vorwärts.
An den Personen vorbei blickt man auf eine Umgebung, die fortschreitend explodiert. In allen Richtungen, in die man blickt, entfernt sich alles nach aussen. Die Raummitte scheint sich endlos auszudehnen. Am Ende dieser Reise landen alle vor einem Gebäude, einem Eingang. Sie gehen hinein.
Schleifenpunkt!
IV
Die Zusammenstellung der Mitspieler und die Auswahl der Spielorte
IV1
Die Protagonisten
Die gezeigten Personen sind symbolhafte Stilisierungen.
Der Unterhändler, die Managerin, das Liebespaar, die Familie, Touristen, Antragsteller, der Lesende, drei Kinder, Soldaten, Berufsfahrer, Stadtbummler und Kunden, Allwissende, Verständnislose, Leiter und Lenker, Sortierer und Geniesser.
Die Besonderheiten der Protagonisten, deren Herkunft und Ziele, erschließen sich durch die ihnen zugeordnete Phantasiewelt, in der sie sich zuerst zusammen mit Ihresgleichen befinden. Später erkennt man in der Auswahl ihrer Partner die Vorlieben der einzelnen Charaktäre. In welchen Szenarien anderer Protagonisten treten sie auf? Gemeinsam ist ihnen allen der Wunsch nach Wandlung.
IV2
Die Phantasiewelten und Spielorte
Die Phantasiewelten, symbolisieren die Herkunft und die Ziele, zuerst individueller dann gemeinsamer Art. Der Sinn und des Wartens. Durch diese, den Protagonisten zugeordneten imaginierten Orte, erfährt man von deren Herkunft, welche Motivation die sich darin bewegenden Charaktäre antreibt, aber auch wohin sie ziehen wollen. Oft entwickeln sich die Traumwelten einzelner Protagonisten unter den Blicken der Beobachter zu real begehbaren Welten. So können diese an ihnen unbekannte Orte reisen und Fremdem begegnen.
Geplante Spielorte der Imaginationen:
Straßenschluchten. Der Wald. Wüste, Sand und Meer. Die gemütlich sich füllende Wohnung. Gleise und Bahnhöfe (erinnern an die historische Version von 1965). Innerhalb eines rasenden Transportmittels. Die Fremde. Im Dunkeln. Die Bibliothek. Die Menschenmenge. Die Haut. Das Büro. Die Baustelle.
IV3
Die Nummern
Die Nummern in der Spielhandlung sind das verbindende Element das allen gemeinsam ist.
Es drückt die konzentrierte Spannung im Warteraum aus aber auch den Entschluss und Startpunkt.
Das Ende des Wartens.
Stand 01.03.16
CHRISTIAN REITZ
MATHIAS REITZ ZAUSINGER